Poly-Computer 880
Der Poly-Computer 880 (kurz Poly-880) war ein in der DDR weit verbreiteter Lerncomputer auf Basis des Mikroprozessors U880. Der Computer wurde ab 1983 vom Volkseigenen Betrieb VEB Polytechnik Karl-Marx-Stadt für den Einsatz als Lernmaschine an allgemein bildenden Schulen und höheren Bildungseinrichtungen produziert.
Systembeschreibung
Polycomputer_880: Das Gerät wurde betriebsfertig eingebaut in einem Diplomatenkoffer (48 x 38 x 12 cm) geliefert und hatte ein Gesamtgewicht von 5 Kg. Zur Dateneingabe verfügte der Poly-Computer über eine Hex-Tastatur sowie einige Funktionstasten. Die Ausgabe erfolgte über eine 8-stellige Siebensegmentanzeige. Der Zustand sämtlicher Leitungen des Daten- und Adressbusses konnte über Leuchtdioden abgelesen werden. Das Betriebssystem des Polycomputers befand sich auf einem 4 KByte großen ROM, für die Datenspeicherung war 1 KByte RAM vorgesehen. Aufgrund der unvollständigen Adressdecodierung war eine Aufrüstung auf volle 64 KByte Speicher nicht möglich. Für externe Datenspeicherung konnte ein Kassettentonbandgerät über eine DIN-Buchse angeschlossen werden. Zur Druckausgabe konnte über einen Lautsprecherstecker ein Fernschreiber angeschlossen werden. Ein Treiber für den Schleifenstrom des Fernschreibers war bereits eingebaut. Die Datenbusse waren über einen Steckverbinder erreichbar. Somit konnten zahlreiche Bastelobjekte für Zubehör realisiert werden. Intern war eine Steckfassung für einen weiteren ROM oder EPROM vorhanden. Aus Preisgründen kam als Prozessor eine 2. Wahl-Variante der U880 CPU mit nur 1 MHz Taktfrequenz zum Einsatz.
Zum Polycomputer gehören 3 Handbücher: Bedienhandbuch (3 Teile), Systemhandbuch (2 Teile), Arbeitsbuch (1 Teil).
technische Daten
Merkmal | Beschreibung |
---|---|
CPU | U880 |
ROM | 2x 1K ROM, BM039, BM040 |
RAM | 1K |
Takt | 921,60 kHz |
Anzeige | 8 stellige Siebensegmentanzeige, 34 LEDs für Bus-Signale u.a. |
Tastatur | 27 Tasten, davon 4 Tasten für Hardwaresteuerung |
Peripherie | - |
Software | - |
Der Poly-Computer 880 war in fünf Varianten lieferbar:
- Kofferausführung mit Zusatzstromversorgung (-5 V, +12 V), Betriebsprogrammsystem in EPROMs
Ger.-Nr. 11 512 8.01
- Kofferausführung ohne Zusatzstromversorgung; Betriebsprogrammsystem in ROMs
Ger.-Nr. 11 510 1.01
- Chassisausführung mit Zusatzstromversorgung; Betriebsprogrammsystem in EPROMs
Ger.-Nr. 11 516 0.01
- Chassisausführung ohne Zusatzstromversorgung; Betriebsprogrammsystem in ROMs
Ger.-Nr. 11 515 2.01
- Rechnereinheit besteht aus Rechnerleiterplatte und Anzeigeleiterplatte; Betriebsprogrammsystem in ROMs
Ger.-Nr. 11 521 6.01
Die Zusatzstromversorgung zur Bereitstellung von -5 V und +12 V konnte ebenfalls separat unter der Ger.-Nr. 11 517 9.01 bezogen werden. Ebenso war es möglich, das Arbeitsbuch Teil 1 (Ger.-Nr. 11 541 9.01) und das Systemhandbuch (Ger.-Nr. 11 548 6.01) einzeln zu erwerben.
Der Vertrieb des Erzeugnisses erfolgte über das Staatliche Kontor für Unterrichtsmittel und Schulmöbel, 7021 Leipzig, Wittenberger Straße 8.
PROMs:
U555 Bitmuster „163“ == U505 Maske „039“ == 1. ROM Adresse 0000h-03FFh
U555 Bitmuster „153“ == U505 Maske „040“ == 2. ROM Adresse 1000h-13FFh
Literatur
rfe 6/82 S.385-386. Dipl.-Ing. HARALD ARNOLD und Dipl.-Phys. WOLFGANG PILZ: Poly-Computer 880
Der zunehmende Einsatz von Mikrorechnern in allen Wirtschaftszweigen stellt an das Wissen und Können der Anwender hohe Anforderungen. Zur Einarbeitung in die Probleme der Hardware und zum Erlernen der Grundlagen der Programmierung sind Lernsysteme üblich. Ein solches Lernsystem, das für den Anfänger auf dem Gebiet der Mikrorechentechnik entwickelt wurde, ist der Poly-Computer 880. Er gestattet, sowohl die geräte- als auch die programmtechnische Funktionsweise von Mikrorechnern gründlich kennenzulernen.
rfe 12/82 S.796-799. Dipl.-Ing. ANDREAS TROLL und Dipl.-Ing. UWE HÜBNER: Daten- und Programmabspeicherung auf Heimmagnetbandgeräten
ausführliche Beschreibung des Kassetten-Interfaces des Poly-Computers
rfe 8/83 S.492-493. HAGEN JAKUBASCHK: Erfahrungen mit dem Polycomputer PC-880
Wir lernten kennen
Mikrorechner-Lernsysteme mit ökonomisch sinnvollem Aufwand fehlten bisher ebenso wie einfache, überschaubar handhabbare Kleinstrechner, mit denen ein schnelles Testen eigener Programmentwicklungen oder auch einfache Prozeßsteuerungen realisierbar sind. Hier hat der VEB Kombinat Polytechnik und Präzisionsgeräte Karl-Marx-Stadt mit dem Polycomputer PC-880 eine Lücke geschlossen. In diesem und im folgenden Beitrag wird über die mit ihm von Herrn Jakubaschk und unserer Redaktion gemachten Erfahrungen berichtet.
rfe 5/84 S.282-287. Dr.-Ing. STEFFEN BURKHARDT und Dipl.-Ing. UWE HÜBNER: Technik und Anwendung des Poly-Computers 880
Dieser Beitrag soll in Ergänzung zu [1] und [2] einen Einblick in die technischen Lösungen und einige Anwendungshinweise für das inzwischen recht weit verbreitete Mikrorechnerlernsystem Poly-Computer 880 geben. Damit soll den potentiellen Anwendern eine Entscheidungshilfe geboten werden, wo und wie sie dieses System zweckmäßig einsetzen können.
incl. Schaltbild des Poly-Computers!
rfe 7/84, S. 415-419. Dipl.-Ing. UWE HÜBNER: Zusatzgeräte für Poly-Computer 880
Zur Unterstützung der Mikrorechnerausbildung wurden Zusatzeinrichtungen zum Mikrorechnerlernsystem Poly-Computer 880 entwickelt. Dies sind ein E-A-Experimentiermodul, eine Bildschirmsteuerung und der Anschluß einer alphanumerischen Tastatur. Die Zusatzgeräte können auch an andere Mikrorechnersysteme angeschlossen werden.
rfe 12/84, S.759-760. UWE HELD: Poly-Computer PC 880 als Bedieneinheit
Beschrieben werden ein Busadapter zur Kopplung der Mikrorechnersysteme K 1520 und PC 880 sowie die Möglichkeiten zur Nutzung des- Polycomputers als Bedieneinheit für K-1520-Systeme. Ziel ist es, bestimmte Aufgaben unter Verwendung des Monitors und der hexadezimalen Tastatur des PC 880 schneller und effektiver als mit der Bedieneinheit K 7622 zu lösen.
rfe 3/85, S.152-153. ANDRE WILDNER und JOST KLINGENSCHMIDT: Software für PC 880
rfe 4/85, S.246. STEPHAN MERKER: Fernschreiber als Drucker für Poly-Computer PC 880
Ein Fernschreiber läßt sich leicht als Drucker für den Poly-Computer PC 880 benutzen. Im folgenden Beitrag wird ein Programm vorgestellt, das einen bestimmten Speicherbereich in übersichtlicher Form ausdruckt.
rfe 4/85, S.247. Dipl.-Ing. KLAUS-DIETER GRUNER: Speichererweiterung beim Poly-Computer PC 880
rfe 7/85, S.421-423. Dipl.-Ing. ARCHIBALD HOKLAS und Dipl.-Ing. ROLAND KLABUNDE: V.24-Schnittstellentester mit Poly-Computer 880
Der in diesem Beitrag vorgestellte Schnittstellentester für V.24-Schnittdiellen hat sich seit etwa einem Jahr an Bord eines Handelsschiffes bewährt. Die Hardware und die damit gegebene Möglichkeit der seriellen, synchronen Datenübertragung sind Voraussetzung für die Nutzung des Testers auch in anderen Einsatzgebieten.
rfe 1/86, S.45-47. Dr.rer.nat. DIETER LENK: PC 880 als mikroprozessorgesteuertes Interface
Der Beitrag beschreibt die Kopplung eines digitalen Speicheroszillografen Egplorer II mit dem Serialisierungssystem S-3297.520, wobei ein Zugriff auf den Speicher des Oszillografen auf Grund der fehlenden digitalen Schnittstelle nicht möglich war. Deshalb wurde der inzwischen schon weit verbreitete Poly-Computer PC 880 als Steuerrechner eingesetzt. Durch geringfügige Änderungen ist es möglich, statt des Digitaloszillografen ein anderes Meßwerterfassungssystem anzuschließen. Außerdem können die Daten auf Kassette gespeichert und mit Hilfe eines X-V-Schreibers gezeichnet werden.
Kleinstrechner-TIPS 3, 1985: Dr. sc. techn. Uwe Hübner. Poly-Computer 880 - Anwendung und Erweiterungsmöglichkeiten
E/A-Experimentiermodul, Bildschirmanschluss, Tastaturanschluss, Zusatzspeicher, EPROM-Programmiereinrichtung (Berichtigung in Kleinstrechner-TIPS 4)
Kleinstrechner-TIPS 4, 1986: Lehmann,Schumann,Walke: Mikrorechnergesteuerte Analog-Digital-Umsetzung mit dem Poly-Computer 880
Downloads
- Bedienhandbuch, Systemhandbuch Arbeitsbuch
→ Die Handbücher gibt es bei http://rechenwerk.halle.it/usr/digital-ag/archiv/, Punkt Kleincomputer und Lerncomputer - proms_poly880.zip orig. PROMs mit Betriebssystem (Achtung: Die ROMs enthalten den Code in negierter Form!)
- poly-computer-rfe.pdf alle obigen rfe-Beiträge
- Stromlaufplan: ist in obigem Download bei rfe 5/84 als kompakter Schaltplan enthalten. Einzelne Teile s. a. Systemhandbuch.
- poly-computer-880-flyer.pdf 4 seitiger Werbeflyer
- poly-computer-tips_03.pdf Kleinstrechner-TIPS 3 (Auszug)
- poly-computer-tips_04.pdf Kleinstrechner-TIPS 4 (Auszug)
- poly-computer-software.zip Monitorprogramm (Assemblerquelltext, ROM-Inhalt)
- EINTRITT.asm
- LERNSYSTEMEQU.ASM
- KONSOLE.asm
- AKTIONEN.asm
- RAM.asm
- MONITOR.ASM
- poly-computer-software.zip Assemblerquelltexte der Beispiele aus Bedienhandbuch und Arbeitsbuch
- M_TEST.asm
- RAM1_TEST.asm
- RAM2_TEST.asm
- ROM_TEST.asm
- TTY_TEST.asm
- TTY_DRIVER.asm
- POLY_UHR.asm
- POLY_MUSIK.asm
- POLY_TRECH.asm
- poly880-netzteil.zip Schaltpläne Netzteil (Handskizzen)
Links
- http://www.z9001.de/books/poly880/index.html oder http://www.kc85-museum.de/books/poly880/index.html Die Handbücher als Einzel-Seiten
Bedienung
Mit RES (reset) wird ein definierter Anfangszustand hergestellt
In der 7-Segmentanzeige werden die ersten beiden Stellen zur Textanzeige genutzt (soweit man mit 7 Segmenten Text darstellen kann: Ein Π soll beispielsweise ein M darstellen) Die meisten Funktionen beenden sich bei erfolgreichem Abschluss mit 'F ' wie „fertig“.
Speicherinhalt anzeigen/ändern
MEM ('MM ' = memory wird angezeigt) <Adresse> EXEC <Wert> EXEC <Wert> EXEC ..
Mit jedem Betätigen der Taste EXEC wird die nächste Speicherzelle angezeigt. Mit BACK wird die vorherige Speicherzelle angezeigt. Beendet wird durch ein anderes Kommando.
Register anzeigen/ändern
REG ('rG ' wird angezeigt) <Registerpaar> EXEC <Byte f. linkes Register> EXEC <Byte f. rechtes Register> EXEC
Das Registerpaar wird über die korrespondierende Zifferntaste ausgewählt. Das letzte EXEC schaltet weiter zum nächsten Register. Mit BACK kann das vorhergehende Register gewählt werden. Beendet wird durch ein anderes Kommando.
Auf den Zifferntasten stehen die zugehörigen Register für die Registeranzeige. Bei den Zifferntasten 0..5 steht außerdem das Funktionskürzel für die Funktionstaste.
Anwenderprogramm starten
GO ('Go ' wird angezeigt) <Startadresse> EXEC ('br ' = breakpoint wird angezeigt) <Adresse> EXEC
Eine Breakpointadresse muss nicht angegeben werden. Startadresse und Haltepunkt können weggelassen werden. Fehlt die Startadresse, wird der im Registerrettebereich stehende Wert für PC genommen.
Einzelschrittbetrieb
STEP ('St ' wird angezeigt) <Adresse> EXEC
Über die Funktionstaste sind weitere seltener benötige Funktionen erreichbar:
Porteingabe
FCT 0 ('PI ' = port input wird angezeigt) <Port-Adresse> EXEC
Mit jedem Drücken der Taste EXEC wird das angegebene Eingabetor gelesen und der Wert angezeigt.
Port-Ausgabe
FCT 1 ('PO ' = port output wird angezeigt) <Port-Adresse> EXEC <Wert> EXEC <Wert> EXEC ..
Es können beliebige oft weitere Werte ausgegeben werden.
Datentransport
FCT 2 ('ME ' = move wird angezeigt) <Zieladresse> EXEC <Quelladresse/source> EXEC <Länge> EXEC
Mit diesem Kommando wird ein Datenbereich auf eine andere Adresse kopiert. Quell- und Zielbereich können sich überlappen. Nach dem Verschieben erscheint in der Anzeige ein F wie fertig.
Speicher füllen
FCT 3 ('FL ' = fill wird angezeigt) <Anfangsadresse> EXEC <Länge> EXEC <Wert/data> EXEC
Füllen eines Speicherbereichs mit einem Byte.
Laden von Kassette
FCT 4 ('MI ' = magnet tape input wird angezeigt) <Anfangsadresse> EXEC <Endadresse> EXEC ('ready?' wird angezeigt) EXEC
Nach Abschluss des Ladens erscheint in der Anzeige ein F. Bei Einlesefehlern erscheint 'ErXXXX'.
Speichern auf Kassette
FCT 5 ('MO ' = magnet tape output wird angezeigt) <Anfangsadresse> EXEC <Endadresse> EXEC ('ready?' wird angezeigt) EXEC
Nach Abschluss des Speicherns erscheint in der Anzeige ein F.
Sonstiges
ein geöffneter Poly-Computer: Zu erkennen sind Chassis mit Trafo und Netzteilleiterplatte und links die Zusatzstromversorgungsplatine. Der Computer besteht aus zwei miteinander verbundenen Leiterplatten, der Grundleiterplatte mit Prozessor und Tastenblock und der Anzeigeleiterplatte mit den 7-Segment-Anzeigen und den 34 LEDs für die Busanzeige.
Monitorprogramm
Der Monitor des Poly-Computers ist eine Besonderheit: Das System wurde als Zustandsmaschine (DFA, deterministic finite automaton) programmiert. Das macht es schwer, den Code zu verstehen, zeugt aber auch von hoher Ingenieurskunst. Kein anderes mir bekanntes Monitorprogramm hat eine derartige Konzeption.
Durch die Implementierung einer Zustandsmaschine konnten wesentlich mehr Funktionen und ein höherer Bedienkomfort in den 2048 Byte untergebracht werden als in vergleichbaren ähnlichen Einplatinenrechnern wie etwa KIM1, LC80 oder ähnlich.
Zum kompletten Verstehen der Zustände ist ein Blick ins Systemhandbuch empfehlenswert. Dort gibt es die zugehörigen Zustandsdiagramme und Ablaufpläne.
Unter downloads stehen die kompletten Quelltexte des Monitors zur Verfügung.
Anwendung
Noch mindestens bis 1997 wurde ein Poly-Computer an der Universität Greifswald im Physik-Praktikum genutzt: http://www.physik-schule.de/download/pdf/Physik/ELEK_12_Polycomputer.pdf