Erinnerungen

2010: „Die Entwicklung des LC 80 erfolgte ca. 1983 in der Beratungs- und Informationsstelle Mikroelektronik später IFAM in Erfurt durch mich und weitere Kollegen dieser Einrichtung. Die Vorgabe kam von einem englischen Kunden. Den entsprechenden Prototyp haben wir noch.
Die Fertigung erfolgte dann im Gerätewerk des VEB Mikroelektronik. Über Zeitraum und Stückzahlen weiß Herr Zielosko sicher besser Bescheid. Ich kann mich noch erinnern, dass wir auf Basis unseres Prototyps zahlreiche Applikationen für die Leipziger Messe erarbeitet haben.
Der LC 80 wurde damals in meiner Abteilung entwickelt und später im Funkwerk Erfurt produziert.“

Zitiert m.frd.G. von http://www.robotron-net.de/lerncomp.html:

Ein damaliger FWE-Mitarbeiter erinnerte sich:
„Wir waren damals 3 Elektronikentwickler, dazu teilweise noch ein Funkmechaniker und jemand aus der Konstruktion, der die Tasche konzipierte. Das Grundkonzept des LC 80 kam aus einer anderen Abteilung des Funkwerkes. Die Jungs haben ziemlich viel gebastelt und das Konzept war praktisch angefallen. Unsere Abteilung - Konsumgüterentwicklung - hatte die Aufgabe das Konzept weiter zu entwickeln und zur Serienreife zu bringen. Soweit ich mich erinnern kann, war die eigentliche Triebfeder, diesen LC 80 weiter zu entwickeln, das Interesse einer Uni in Westberlin und ein Interessent aus England. Die Engländer hatten dann auch durch immer wieder kleine Änderungsforderungen, die Entwicklung und Serienproduktion hinausgezögert. Schließlich und endlich als alles ihren Forderungen entsprach, wollten sie den LC 80 nicht mehr. Der Vertrieb sollte auch recht seltsam geschehen. Sie wollten eine große Stückzahl bestellen. Diese sollte dann nach Westberlin auf Lager gehen und von dort verkauft werden. Geld sollte es nur für verkaufte LC 80 geben. Also lag das Risiko voll auf Seiten des Funkwerkes. So gesehen hatten wir noch Glück gehabt, dass das Geschäft noch frühzeitig geplatzt ist und „nur“ die Entwicklungskosten den „Bach runtergegangen“ sind. Ende 85 Anfang 86 wurde das Projekt eingestellt. Für England gab eine abweichende Variante. Sie hatte 4 kB RAM und 2 ROM Bänke zu je 2 x 2732 (je 4K-) ROM. Die ROM-Bänke konnten jeweils umgeschaltet werden.
Im Funkwerk gab es in einer anderen Abteilung noch einen Kollegen, der einige Peripheriegeräte für den LC 80 entwickelt hatte.“

Gunther Zielosko war Mitarbeiter in Erfurt und ist der Autor der 3 Applikations-Hefte. Er teilte mir folgendes zu meinen Fragen mit:

„In der DDR gab es immer Probleme, Fertigungs- bzw. Materialbilanzen zu bekommen. Einzeltasten gab es kaum und eine eigene Fertigung wollte (oder konnte) man bei diesen Stückzahlen kaum beginnen, zumal der LC 80 nur ein „Abfallprodukt“ (Konsumgüterproduktion - gezwungenermaßen, aber eigentlich ungeliebt) des Kombinates war. Da nun aber Mikroelektronik „Karl Marx“ Erfurt und Mühlhausen ursprünglich ein gemeinsam geführter Betrieb waren und später im Kombinat ohnehin zusammenhingen, lag es nahe, die Teile (Gehäuse, Leitgummisystem usw.) des Schulrechners aus Mühlhausen weitgehend zu nutzen. Eine neue Leiterplatte und ein Flachbandkabel machten aus dem Schulrechner eine Tastatur für den LC 80.“

G. Zielosko: „Die Frage zur Exportvariante kann ich nur unvollständig beantworten. Aufträge aus dem Westen (hier Großbritannien) waren auf diesem Gebiet in der DDR eher selten wegen des doch erheblichen technologischen Rückstandes. Außerdem wollten die fast alles nahezu geschenkt haben. Im Verlauf der Entwicklung der Exportvariante gab es immer wieder neue Wünsche, einer davon war der erheblich größere EPROM-Bereich mit größeren EPROM's. Diese EPROM's gab es aus eigener Produktion damals noch nicht und damit war das Geschäft immer auf der Kippe. Ich weiß nicht ob und wie viel dieser Geräte offiziell ausgeliefert wurden, ich habe jedenfalls eines.“ s. LC 80 Export

EprommerAufzugmodell
EprommerAufzugmodell

Der Universal-Eprommer links ist nach Applikationsheft 2 entstanden. Rechts ist das Modell der Aufzugsteuerung aus Applikationsheft 3 zu sehen. Letzteres durfte ich bei meinem Besuch in Erfurt in Aktion erleben.

„Das Programmiergerät ist eine komfortable Variante mit mehreren Einstellmöglichkeiten für die Programmierspannung. Damit konnte man dann auch andere EPROM's programmieren, deshalb auch die Relais, die so in der Variante aus dem Teil 2 der Applikationen nicht eingesetzt waren.“

N. Denkes schreibt: „Wir hatten im Kaliwerk mehrere LC 80 im Produktionseinsatz unter Tage. Schwerpunkt war eine selbst entwickelte radiometrische Bandwaage. Etwa ab Mitte 1987 habe ich ein sehr gut ausgereiftes Programm zur Schlupfüberwachung an Bandanlagen entwickelt (Basis LC 80). Die Entwicklung war so gut, dass: 1. ein Mustergerät im Institut für Bergbausicherheit Freiberg auf Bergbautauglichkeit untersucht wurde und 2. eine Serienproduktion vorbereitet werden sollte. (Geplant waren ca. 250 Geräte). Allerdings hat es die Entwicklung nicht zur Einsatzreife geschafft, weil die DDR dann nicht mehr existierte.

Daneben habe ich mal auf dem LC 80 ein Programm entwickelt, mit dem der LC 80 als Morse-Übungsgerät eingesetzt werden konnte. Veröffentlicht in der Zeitschrift „Funkamateur Heft 1/1986, S.29“. (Software+Artikel)

Mein persönlicher Kontakt zum LC 80: Der LC 80 war der erste eigene Computer, der mich auf meinem Lebensweg begleitet hat.

Schon als Schüler hatte mich die Elektronik und die aufkommende Rechentechnik begeistert. Meinem Traum von eigenen Computer waren allerdings handfeste Schranken vorgesetzt. So gab es die benötigten Bauteile kaum zu kaufen, eine entsprechende zweiseitige Leiterplatte war für mich als Amateur auch nicht herstellbar und nicht zuletzt bremsten die auch für sozialistische Verhältnisse sehr hohen Materialkosten.

Ich war daher begeistert, als der Z1013 auf der Leipziger Herbstmesse 1984 vorgestellt wurde und auch bald käuflich zu erwerben sein sollte! Meine Mutter war maßlos entsetzt über den wahnsinnigen Preis von 720 Mark. Dennoch war ich wild entschlossen, endlich einen eigenen Computer zu haben, so dass ich das Geld aus meiner Ferienarbeit und von meiner Jugendweihe in einen LC 80 investiert habe.

Am 4.12.1984 bestellte ich meinen Lerncomputer, und schon am 11.12.1984 bekam ich die Antwort aus dem VEB Mikroelektronik „Karl Marx“ Erfurt, dass ich für einen Lerncomputer nach Produktionsaufnahme („voraussichtlich I/85“) für ca. 720,-M (ohne Netzteil) vorgemerkt sei. Leider wurde mir schon einen Monat später, am 22.1.85, geschrieben, dass meine Bestellung nicht direkt durch den VEB MME geliefert werden kann, da es sich „um Bevölkerungsbedarf handelt“. Ich wurde auf das Fachgeschäft für Heimelektronik in Erfurt verwiesen.

Dort hätte ich meinen LC 80 privat abholen müssen. Doch ist es ein weiter Weg von Greifswald bis nach Erfurt, und so gelang es mir nach einigen Briefen, die Verkaufsstelle zu bewegen, mir mein Exemplar des LC 80 doch per Post zuzusenden. So hielt ich nach nur geringen Schwierigkeiten im Frühjahr 1985 endlich meinen ersten eigenen Computer in den Händen, den Lerncomputer LC 80 mit der Seriennummer 00390!

(Allerdings habe ich mich anderthalb Jahre später, am 20.11.1986, von meinem LC 80 schweren Herzens getrennt, um mir mit dem Verkaufserlös einen Z1013 leisten zu können, aber das ist ein anderes Abenteuer… )

Irgendwoher hatte ich die Information bekommen, dass es im VEB Mikroelektronik „Karl Marx“ Erfurt ein Büchlein mit Informationen und Programmen zum LC 80 geben solle. Ein paar Nachforschungen und auch ein paar Wochen später erhielt ich am 31.7.86 mein Exemplar der „Hinweise zur Anwendung des Lerncomputers LC 80“ von Dipl.-Ing. Gunther Zielosko.

Meine Neugier war geweckt und ich wollte den Autor persönlich kennen lernen. Zu dieser Zeit studierte ich in Halle, und so war es nicht zu weit nach Erfurt. Am 7.9.86 stand ich im Wohnzimmer von Herrn Zielosko und habe mir viel zu meinem Computer erzählen lassen.

Ich durfte die Export-Variante des LC 80 sehen: in einem edlen Holzkoffer befand sich eine maximal ausgestattete Variante des LC 80, außerdem gab es eine Tastaturschablone, die über die Tastatur gelegt wurde und Tastenbezeichnungen für ein Schachspiel enthielt - bei ähnlicher Hardware wie der erste DDR- Schachcomputer SC2 war es wohl nicht zu aufwendig, Schach auf dem LC 80 zu implementieren.

Herr Zielosko informierte mich über seine Aktivitäten: Er signierte mein Exemplar der „Hinweise zur Anwendung des Lerncomputers LC 80“, schenkte mir gleich Heft 2 seiner Reihe und erzählte, dass im nächsten Frühjahr noch ein drittes Heft erscheinen wird. Außerdem führte er mir einen EPROM mit 5 Spielen für den LC 80 vor. Von diesem war ich so begeistert, dass es mir gelang, mir von Herrn Zielosko diesen Original-EPROM auszuleihen! (Das ist um so erstaunlicher, als dass mich Herr Zielosko ja gar nicht kannte und außerdem EPROMs sehr sehr teuer waren - ich habe mir meinen ersten EPROM für 72,- Mark aus Erfurt schicken lassen!) Leider musste mir Herr Zielosko auch mitteilen, dass die Produktion des LC 80 ausläuft und dass ein geplanter(?) BASIC-Zusatz nicht produziert wird.

Zu den technischen Details, die mir Herr Zielosko verriet, habe ich nur noch die Notizen übrig, dass

  • die Tastatur des LC 80 ein verkappter Taschenrechner SR1 ist, natürlich ohne Taschenrechnerschaltkreis
  • und die RAMs U 224 unbedingt gepuffert werden müssen.

In meiner Zeit in Halle leitete ich einen Computerclub im Pionierhaus „Fritz Weineck“, in dem auch LC 80 eingesetzt wurden. Mit meinen Mitstreitern entstanden hier wohl die Programme wie Lauflichtsteuerung und ein paar Spiele.

Dann trat der Z1013 in mein Leben, und ich hatte keinen LC 80 mehr. Erst nachwendlich habe ich meinen jetzigen LC80 aus dem Nachlass des Computerclubs des Pionierhauses Greifswald erstanden: ein Gerät mit einem 2K-EPROM und extra Huckepack-Takterzeugungsplatine, Seriennummer 00794.

Doch diesen habe ich auf 4K RAM und 8K ROM aufgerüstet, mit dem Betriebssystem LC 80.2 von Herrn Eckart Buschendorf versehen und nutze ihn heute noch als Schaltkreistester und Spielemaschine mit fünf Spielen auf einem EPROM …

Vielen Dank, Herr Zielosko, und all die anderen Entwickler des LC 80!

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  • Zuletzt geändert: 2018/11/26 14:11
  • von volkerp